Thomas Lehner / STWST
UNFINISHED ARCHIVE
STWST-TV Form & Inhalt / Live & Relevanz
Impulsreferat & Video-Show
ACT RE:ACT [session 1]
STWST Club
Samstag Nacht
19:32 - 21:00 (88min - ACT)
Fernsehen war in Österreich noch in den 1980ern das zentrale und monopolisierte Medium. Es kam von übergeordneter Stelle. An das, was im TV gezeigt wurde, wurde geglaubt und galt als Wahrheit. Wie beim Gottesdienst in der Kirche. Die Einzelnen waren Teile einer konsumierenden Masse und teilten zeitgleich und kollektiv Programm, Information und Emotion.
Fernsehen als Werkzeug der Kunst zu nutzen, anstatt lediglich Kunst im Fernsehen zu zeigen – das war deshalb das Ziel, das sich die STWST Mitte der 80er Jahre selbst gestellt hat. Nicht nur formal und technisch, sondern auch gesellschaftlich, politisch und soziokulturell sollte das Fernsehen auf den Kopf gestellt werden. Von Anfang an stellte sich dabei die Frage: „Was wäre, wenn jeder Empfänger auch gleichzeitig Sender sein könnte?“ Das sprengte oft die Vorstellungskraft der damals interviewten GesprächspartnerInnen.
Thomas Lehner zeigt in seinem Videovortrag über STWST TV Ausschnitte aus den aufsehenerregenden Fernseh-Kunstprojekten der STWST, die 1987 begonnen hatten und ganz wesentlich die Paradigmen einer Medien- und Netzkunst vorausschauend thematisierten – bevor das World Wide Web die Paradigmen der Technologie und Ideologie im großen Stil verschoben hat. Thomas Lehner kontextualisiert, liefert Hintergründe aus der Praxis von damals, beleuchtet Skandale und spart nicht mit Kritik an den Zuständen von Gestern und Heute. „Denn Gott ist ja eigentlich tot und das Fernsehen hat auch schon Verwesungsgeruch angesetzt. Aber auch das so genannte ‚Social Media‘ und andere Entwicklungen des Internetzes stinken bereits zum Himmel.“ So utopisch die Vorstellung, dass jeder Empfänger auch Sender sein könnte, damals in den 80ern war, so wenig hat sich heute mit den neuen technologischen Entwicklungen an einem von einer übergeordneten Instanz gesteuerten Glaubensbekenntnis, sprich an den manifesten und zunehmend totalitär organisierten Machtstrukturen geändert. Die Aufklärung ist wieder der Verklärung gewichen.
Thomas Lehner war über viele Jahre in unterschiedlichen, leitenden Positionen der STWST tätig. Vor allem an der Konzeption und Umsetzung zahlreicher STWST-Kunstprojekte der 80er & 90er Jahre war er maßgeblich beteiligt. Er entwickelte das Telepresence- und Virtual-Reality-Verfahren “ P.R.D.“ [Parallel Raum Display] und ist heute als freier Künstler und unabhängiger Filmemacher tätig. Lebt und arbeitet in Wien und Santiago de Cuba.
Image: STWST